Dienstag, 9. September 2008

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2.2. Der Erkenntniszuwachs in den Nachkriegsjahren bis 1965

Die ursprünglichen Misserfolge der Experimente insbesondere mit YANOL führten nicht zu einer Abkehr von der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Öl-Emulsionen sondern im Gegenteil zu einer weltweiten Intensivierung der Forschungstätigkeit und der medizinischen Experimente zu diesem Thema.


Hätten medizinethische Gründe bei auch nur einem einzigen Todesfall eines Patienten, der auf die Unverträglichkeit einer intravenös verabreichten Lipid-Emulsion zurückzuführen gewesen wäre, jegliche Weiterarbeit mit diesen Produkten verboten, so scheinen die Diskussionen um Wirkung, Verträglichkeit und Abbaubarkeit der zugeführten Substanzen im menschlichen Körper zu einer Art Wissenschaftlerstreit mit Rechtfertigungszwang geführt zu haben, der zur Folge hatte, daß die Forschungen zu diesen Produkten mit beispielloser Vehemenz weiterbetrieben wurden.

Dabei versuchten die Hersteller dieser damals kontroversen Substanzen wegen der zahlreichen Berichte über Nebenwirkungen zunächst herauszufinden, bei welchem Ölprodukt die geringsten Nebenwirkungen konstatiert wurden. Man entfernte sich dabei im Laufe der Zeit von den unter anderen zuerst verwendeten Sesam-, Baumwoll-, Kokos- und Olivenöl-Emulsionen sowie den Produkten LIPOMUL und INFONUTROL und verwendete zunehmend auf Sojabohnenöl basierende Substanzen, insbesondere die Produkte INTRALIPID (Baxter / USA) und LIPOFUNDIN (B/Braun / Deutschland).

Des weiteren konzentrierte sich die Herstellerseite auf die Verbesserung der Techniken zur Herstellung kleinerer Öl-Emulsionspartikel, was einerseits durch immer feinere Filtrations- und Verstäubungsverfahren erreicht werden sollte, andererseits durch das experimentelle Austesten unterschiedlicher chemischer Zusätze, deren Aufgabe es sein sollte, die Emulsionsstabilität auf Dauer zu gewährleisten, das heißt zu verhindern, dass sich die „zerkleinerten“ Ölpartikelchen in der Infusions-Lösung oder später im Blut entsprechend ihrem Koagulationsverhalten wieder zu größeren „Öltröpfchen“ zusammenfügen würden.

Weitaus komplizierter als die Verbesserung der Produktionstechniken durch die Hersteller der Öl-Emulsionen, die sich hauptsächlich an Meßbarkeitsparametern zu orientieren hatten, war die Aufgabe der Wissenschaftler und Ärzte, den argumentativen und logischen Balanceakt zwischen vollkommen konträren Erkenntnissituationen zu vollführen.

So berichten Kell JORDAL (Kopenhagen) und Ulrich GÖTT (Bonn) im Jahre 1963 über ihre klinischen Erfahrungen mit INFONUTROL und konstatieren, dass jeweils 200 bzw. 390 ihrer Patienten die verabreichten 1539 bzw. 650 Fett-Infusionen „fast immer reaktionslos vertragen“ hätten. Trotzdem wurde INFONUTROL anschließend wegen seiner Nebenwirkungen vom Markt genommen und nicht weiter produziert.

In derselben, auf den Vorträgen des 9. Symposions zur „parenteralen Ernährung“ in Mainz basierenden Publikation werden von dem Stockholmer Wissenschaftler WRETLIND neben zahlreichen Versuchsergebnissen, die die offensichtliche Verträglichkeit der Öl-Emulsionen für Versuchtiere und Menschen zu belegen scheinen, allerdings auch einen Reihe von Produktwirkungen auf das menschliche Blut, Blutzirkulation und Atmung konstatiert, die in ihrer Konsequenz eigentlich den Abbruch der Versuche mit Öl-Emulsionen am Menschen zur Folge hätten haben müssen.


Diese „Nebenwirkungen“ seien hier zusammenfassend zitiert:

Einwirkung auf Zirkulation und Atmung

... Eine Einwirkung auf die Zirkulation kommt dadurch zustande, dass gewisse Emulsionen sowie alimentäre Hyperlipämie eine intravasale Aggregation von Erythrocyten und Fettpartikeln (12,87) ergeben. Dadurch wird vor allem die Mikrozirkulation und die Sauerstoffversorgung im Kapillargebiet verschlechtert. Dieses ist wahrscheinlich auch die Erklärung für die ungünstigste Wirkung von Fettemulsionen, die beim Blutungsschock (14) und bei der Neigung zur Thrombose (11,12) beobachtet wurde.

... Ein verminderter Sauerstoffdruck im Myokard und dem periphären Gewebe ist bei einer Hyperlipämie, hervorgerufen durch Infusion von Fettemulsionen, nachgewiesen worden (40, 72, 74). ..... Die beschriebene Verschlechterung der Sauerstoffversorgung der Gewebe bei Hyperlipämie wird also zum Teil auf Aggregation der Erythrocyten beruhend angesehen (96)...“

... Kolloide Reaktionen („colloid reactions“) bei der Infusion von Fettemulsionen wurden beschrieben und durch rasch einsetzende Schmerzen im Rücken, in Brust und Bauch, mit gleichzeitig auftretender Dyspnoe und Zyanose charakterisiert. Die Symptome treten oft nach Infusion von einigen Millilitern Emulsion auf (39, 80, 91). Der Name bezieht sich auf die Ähnlichkeit mit den Reaktionen, die manchmal bei kolloidalem Eisen auftreten. Über diese Reaktionen ist bei der Anwendung von Baumwollsaatölemulsionen (Lipomul) und Sesamölemulsionen berichtet worden (13, 33, 45, 80, 93).


Einwirkung auf verschiedene Faktoren und Stoffe im Blut

Anämie ist bei den meisten Untersuchungen, bei denen Mensch und Tier Fettemulsionen entsprechend 30-50% des Kalorienbedarfes gegeben wurden, beobachtet worden (17, 18, 41, 55, 88). ...... Bei vergleichenden Untersuchungen haben wir festgestellt, dass Baumwollsaatöl eine hochgradigere Anämie ergibt, als Soyabohnenöl. Die Anämie wird als hämolytische angesehen, da man eine Steigerung des Serumhämoglobines, Hyperbilirubinanämie, erhöhte mechanische und osmotische Erythrocyt-Fragilität konstatiert hat (2, 3, 49, 53). ...“


Gesichtspunkte und Forderungen betreffend Fettemulsionen für die intravenöse Ernährung

... bisher hat man jedoch leider eine Reihe mehr oder weniger ernsthafter Nebenwirkungen registrieren müssen .....

... Als starke Reaktionen wurden solche, die eine Unterbrechung der Infusion notwendig machten, angesehen. Beispiel hierfür sind starke Schmerzen, Schüttelfrost und Atmungsbeschwerden. Zu den leichten Reaktionen rechnet man „flushing“, leichte Schmerzen, und andere leichte Beschwerden wie Kopfweh. Diese und andere Versuche haben gezeigt, dass die Frequenz an Nebenwirkungen vom Olivenöl über Baumwollöl zum Soyabohnenöl absinkt. ...“

... Spätreaktionen oder Overloading Syndrome treten nach wiederholten Infusionen von Fettemulsionen auf. Bei Hunden erfolgten diese nach 4,5 bis 7,5 g Baumwollsaatöl/kg/Tag während 5-20 Tagen und beim Mensch nach 1-1,5 g/kg/Tag während 5-20 Tagen (49, 64, 93). Das „overloading syndrome“ wird charakterisiert durch hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, Hyperirritabilität, Nausea, abdominale Schmerzen, Lethargie, Anorexie (70, 93). Ferner beobachtete man Hepato- und Splenomegalie sowie Ikterus (4, 64, 93), gastrointestinale Blutungen, verlängerte Koagulierungszeit und Anämie sowie gleichzeitig mit diesen Symptomen auch Hyperlipämie“.

Kurzgefasst kann aus den hier wiedergegebenen Beobachtungen und Schlussfolgerungen abgeleitet werden, dass die Forscher zum damaligen Zeitpunkt erkannt hatten, dass das menschliche Blut Unverträglichkeitsreaktionen nach Einleitung von Öl-Emulsionen aufzeigte. Man kann in diesem Zusammenhang von einer Funktionsstörung und Schädigung des Blutes sprechen, die direkt proportional zur eingeleiteten Menge Öl-Emulsion ist.

Zurückgeführt wurden die Unverträglichkeitsreaktionen des Blutes auf die Wirkung der Emulgatoren auf das Blut sowie auf die Verwertbarkeit bzw. Abbaubarkeit der injiziierten Fettmenge durch den menschlichen und Säugetier-Stoffwechsel, der sich im Verlauf der Versuche als belastbarer erwies als auf Grund der Theorien über den Fettstoffwechsel zu erwarten gewesen wäre. So überlebten Hunde, denen Öl-Emulsionen in Überdosis zugeführt worden waren, künstlich erzeugte „Lipämien“, bei denen die Farbe des Blutplasmas nicht von der der Ölemulsion zu unterscheiden war, diesen Zustand bis zu 72 Stunden und zeigten dabei ähnliche Organschäden wie Menschen, die länger als 14 Tage mit je 600 ml Lipomul behandelt worden waren ( PEZOLD, 1963, unter Bezugnahme auf: COHN jr., I.; ATIK, M.; HARTWIG, Qu. L.; COTLAR, A. M.; MORELAND, J.; WERNER, J.C. (1960): Experience with prolonged administration of intravenous fat emulsions, behaviour, course, and laboratory findings in dogs. J. Lab. Clin. Med. 55, 917 ).

Noch konkreter lassen sich die Ergebnisse der 1960 in Tierversuchen nachvollzogenen Wirkungen von intravenösen Lipidemulsions-Injektionen an folgender Textpassage aus demselben Artikel des Berliner Professors Pezold ablesen:

COHN und Mitarbeiter konnten mittels hoher Dosen (4 bis 5 g Fett/kg Körpergewicht) und protrahierter Verabreichung von intravenösen Fettinfusionen bei Hunden alle Nebenerscheinungen bestätigen, die auch beim Menschen beobachtet werden, z.B. Hyperlipidämie, Appetitverlust, Erbrechen und Gewichtsverlust als Ausdruck des Fettüberladungssyndroms und Hämoglobin- und Hämatokritabfall, ja sogar gastrointestinale Blutungen und Exitus.


Die Schädigung des Blutes besteht zum Einen in der Änderung der Konsistenz des eigentlich transparenten Blutplasmas, das eine cremig-weißliche Farbe annimmt (John S. Meyer, Arthur G. WALTZ 1959). In dieser Blutplasma-Öl-Emulsionsmischung unterliegen die Blutkörperchen anderen physikalisch-chemischen Bedingungen als im natürlichen Blutplasma. Dies hat Einfluß auf ihre Oberflächenstabilität und ihr Gerinnungsverhalten und ändert somit die wichtigsten Funktionen und Eigenschaften der Erythrozyten. Folge sind Blutgerinnungsstörungen und Hämolyse1 ( PEZOLD 1965, zitiert nach CREDITOR, M. C. (1953): Some observations of effects of intravenous fat emulsions on erythrocyte fragility. Proc. Soc. exper. biol. Med., 82,, 83. u.a. Autoren).

Land:

Die zweite beobachtete Funktionsänderung des Blutes nach Öl-Emulsions-Injektion beruht auf der Tatsache, dass der menschliche Körper nur bis zu einem gewissen Grad in der Lage ist, das zugeführte Öl wieder aus dem Blutkreislauf zu entfernen. Hierbei spielt die Größe, d.h. der Durchmesser der Öl-Emulsionströpfchen eine entscheidende Rolle, sowie natürlich auch die Gesamtmenge.

KRÜGER wies 1963 in Tierversuchen und unter Anwendung von Färbungstechniken histologischer Präparate nach, daß Emulsionströpfchen von ursprünglich 0,5 - 2 Mykrometern Durchmesser im Blut konfluierten und sich als 12 – 120 Mykrometer große Fetttropfen in Kapillaren und Arteriolen der Lunge1 ansammelten und diese verstopften2, wodurch sie die medizinische Vorraussetzung für die Entstehung einer Lungenembolie bilden würden. Andere Öl-Aggregationen wurden im Gewebe der Niere und der Leber beobachtet. Entsprechend handelt es sich dabei um Organembolien, die als sogenannte „Fettembolien“ auch bei Patienten mit Fettverwertungsstörungen auftreten, die zuvor keine ölhaltigen Infusionslösungen verabreicht bekommen hatten. Doch scheinen die intravenös zugeführten Fettmengen zwar in manchen Körpergeweben einlagerbar, doch anschließend nicht mehr abbaubar zu sein, wie dies dem auf natürlichem Wege über die Nahrung im Körper aufgenommenen Reservestoff Fett entsprechen würde.

Aus Fettüberdosierung resultierende Leberfunktionsstörungen werden oft in Zusammenhang mit Ölinfusions-Gaben beschrieben, Fieber und Gelbsucht-(Ikterus, Hepatitis)-begleitende Symptome sind auch als „übliche Nebenwirkungen“ von intravenösen INTRALIPID-Infusionen bekannt (HAJRI, FEREZOU & LUTTON, 1990).

Das Ablagerungsverhalten intravenös zugeführten Fettes untersuchte unter anderen K. ELSTER (1965) aus dem Pathologischen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg. Dabei stellte er „bei geringer Erhöhung der Infusionsgeschwindigkeit mehrfach symmetrische Rindennekrosen in den Nieren“ fest. Weitere Hinweise sogar auf Letalwirkungen von Lipid-Emulsionen findet man in folgender Textpassage desselben Artikels:

.... haben wir Fettinfusionen an den sogenannten Laborschweinen durchgeführt. Bekanntlich steht das Schwein bezüglich seines Stoffwechsels dem Menschen sehr nahe. ...... Auf einen Faktor muß aber schon jetzt nachdrücklich hingewiesen werden, der von den Forschern, die das Laborschwein als Versuchstier wählen, beobachtet werden sollte, nämlich die Kreislauflabilität dieser Tiere. ...... Ein nicht spontan verstorbenes Tier, das am 19. Tag nach Infusion von 450 g Fett in einer 20%igen Lipofundin-Emulsion von 2250 ml getötet wurde, waren die in Rede stehenden Organveränderungen, wie wir sie bei Ratten und Hunden sahen, geringgradig ....“.

Leber, Niere und Lunge bezeichnet man als parenchymatische Organe3, d.h. besonders von feinen Kapillaradern versorgte Körpergewebe, die auf konstante Frischblutversorgung besonders angewiesen und somit bei „Verstopfung“ des Kapillar- und Austauschgewebes auch besonders funktionsgefährdet sind. Auch das menschliche Gehirn ist ein „parenchymatisches Gewebe“.

Im Blut zirkulierende, kleinere Emulsionströpfchen, die sich nicht im Kapillargewebe ansammeln, erhöhen den messbaren „Blutfettgehalt“ und lösen eine sogenannte „Hyperlipämie“ aus. Bis zu einer bestimmten Menge ist der menschliche Körper in der Lage, diesen erhöhten Blutfettgehalt wieder abzubauen, wobei die Stoffwechselmechanismen die dazu beitragen nicht vollständig bekannt sind. Man spricht im englischen Sprachraum dabei von einem sogenannten „clearing factor“4. Im deutschen wird reziprok zu der Existenz dieses Faktors dem menschlichen Körper eine „Klärinsuffizienz“ unterstellt, wenn er nicht mehr in der Lage ist, das zugeführte Fett zu verwerten5. Dies sei durch Wiedergabe der entsprechenden Textpassage von ZELLER, BERG & FRANK (1965) hier dokumentiert:

... die Dosierungsangaben schwanken zwischen 6-60 g Fett/Stunde.

Unsere Untersuchungen mit konstanter Fettzufuhr pro Zeiteinheit haben jedoch ergeben, dass vom Organismus nur 6 bis 10 g Fett / Stunde aus der Blutbahn eliminiert werden können. Bei mengenmäßiger und/oder zeitlicher Überdosierung waren langanhaltende Infusionshyperlipämien zu beobachten. Die Fettverwertung kann bei intravenöser Zufuhr nur bis zu einer Menge von 0,1-0,15 g Fett/min d.h. 6-9 g Fett/Stunde Schritt halten.

Bei dieser Dosierung kommt es nur zu einer geringen Erhöhung der Blutlipide nach Applikation der verschiedenen Handelspräparate, sie beträgt durchschnittlich 20-30%. Nach Verabreichung der doppelten Menge, 12 g Fett/Stunde findet sich eine deutliche Infusionshyperlipämie, die nach weiterer Erhöhung auf 18 g Fett/Stunde ein erschreckendes Ausmaß annimmt.

Bei intravenöser Zufuhr von 0,2 g Fett/min (12 g Fett/Stunde) wird jedoch nicht nur eine deutliche Infusionshyperlipämie gesetzt, sondern auch die Verwertbarkeitsgrenze / Zeiteinheit mit Sicherheit überschritten. Zur Vermeidung von Überdosierungen ist daher eine Begrenzung der stündlichen Fettzufuhr auf 60-100 ml bei Verwendung einer 10%igen Emulsion erforderlich“.

... Die Verwertung und Ausnutzung des intravenös zugeführten Fettes scheint jedoch nicht nur von der Dosierung abzuhängen. In einigen Fällen sahen wir auch nach einer sehr vorsichtig durchgeführten Fettinfusion (6-9 g Fett/Stunde) langanhaltende Infusionshyperlipämien mit kontinuierlich ansteigenden Nüchternfettwerten. In diesen Fällen handelt es sich um eine endogene Verwertungsstörung, als deren Ursache eine Klärinsuffizienz angeschuldigt werden muß. ...“


Letztere Feststellungen zeigen also, dass weder die körpereigenen Abbaumechanismen für künstlich zugeführte Fette bzw. die Rekonstitutionseigenschaften des Blutes, also die Fähigkeit des Blutes, seinen natürlichen Zustand vor Zugabe künstlicher Substanzen schadlos wiederherzustellen, vollständig bekannt sind.

Die Literatur beschreibt zwar zahlreiche Fälle, in denen Patienten Ölinfusionen auch über längere Zeiträume zugeführt wurden und die diese Behandlung gut überstanden, doch sind gleichzeitig auch genauso viele „unerklärliche“, als „Defekte“ und „Abwehrreaktionen“ oder auf Grund von körperlichen „Insuffizienzen“ beschriebene Unverträglichkeitsreaktionen beobachtet und beschrieben worden, dass daraus abgeleitet werden kann, dass die intravenöse Injektion von Öl-Emulsionen eine Art medizinisches Va-Banque-Spiel darstellt, dessen Ausgang mehr von der Glücks-Lage des Patienten als von medizinischen Voraussehbarkeiten abhängt.

H.L. LEHR, O. ROSENTHAL, H.M. RAWNSLEY, J.E. RHOADS und Marie BARNES SEN untersuchten in diesem Zusammenhang im Jahre 1957 zahlreiche Todesfälle die bei der Behandlung von 76 Krankenhaus-Patienten der Universitätsklinik von Pennsylvania in Philadelphia (USA) auftraten. Viele der Patienten verstarben wenige Stunden oder Tage nachdem ihnen eine oder mehrere intravenöse Infusionen des Produktes LIPOMUL-IV6 bzw. Sesamöl-Emulsionen7 injiziiert worden waren.


Fussnoten & Anmerkungen:

1 ... und nicht nur der Lunge, sondern auch der Leber, des Herzmuskels und der GlomerulumSchlingen der Nieren !

2 Es muß daher befürchtet werden, dass bei einem Teil der injiziierten Ölemulsionen deswegen keine
Erhöhung der Blutfettwerte festgestellt wird, weil sich das Öl im Kapillarsystem ansammelt und bei
den zur Kontrolle des Patientenzustandes durchgeführten Blutanalysen nicht mehr nachgewiesen
wird. Möglicherweise wird so fälschlicherweise auf eine Körperverträglichkeit der Öl-Emulsion bzw.
eine gute Abbaubarkeit des Lipid-Anteiles durch den Körper geschlossen.

3 Oder medizinisch auch „parenchymatöse Organe“

4 Also einer Art „Kläranlage“, deren Funktion und Wesen unbekannt ist, die aber überraschenderweise
in der Lage sein muß, auch weit über dem verwertbaren Blutfettanteil liegende Fettgehalt-Werte
wieder abzubauen.

5 Es handelt sich in diesem Fall um ein seltenes Beispiel von medizinischer Interpretationskunst, wenn
man dem menschlichen Organismus einen Defekt attestiert, weil er in unphysiologisch hoher Menge
zugeführte Fettmengen nicht von selbst wieder abbauen kann.

6 Produzent von LIPOMUL IV war die amerikanische Phamaziefirma THE UPJOHN COMPANY, Kalamazoo, Michigan.

7 Produzenten der im Artikel nicht näher bezeichneten 10%igen Sesamölemulsion waren die MERCK COMPANY Rahway, New Jersey und die DON BAXTER INC., Glendale, California.


Begriffsdefinition:

1 HÄMOLYSE:

Auflösung bzw. Zerstörung der Erythrozyten .... bedingt durch thermische, mechanische, osmotische, enzymatische, toxische, oder immunologische Einwirkungen ... .

(Definition aus: Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, Auflage 1, 1977, Band 3 - H bis L, Verlag Urban und Schwarzenberg, München)